Die ehemaligen Fraktionsvorsitzende der MD/AL, Prof. Dr. Titus Simon, Bernd Messinger, Sabine Dietrich und Ludwig Franke haben unter der Federführung des amtierenden Fraktionsvorsitzenden Gerd Linke anlässlich des 40-jährigen Bestehens zu einer „40-Jahre MD/AL Jubiläumsfeier“ in den Heinrich-von-Zügel-Saal eingeladen. Bürgermeister Armin Mößner, viele aktive und ehemalige Mitarbeiter der Stadtverwaltung, amtierende Stadträtinnen und Stadträte wie auch Altstadträte sowie eine Vielzahl früherer KandidatInnen der MD/AL sind der Einladung gefolgt, um zurückzublicken und das Jubiläum zu würdigen.
In einem Einführungsvortrag beschrieb Prof. Dr. Titus Simon, maßgeblicher Mitbegründer der MD/AL im Jahre 1979, die Siebzigerjahre als eine Zeit des Aufbegehrens und Widerstandes gegen verkrustete Strukturen. Der Jugend fehlten allerorten Freiräume, es gab an vielen Orten Initiativen zur Gründung von selbstverwalteten Jugendzentren, so auch in Murrhardt. Die ersten Bürgerinitiativen im Bereich des Umweltschutzes wurden gegründet. Bundesweit waren die 70er und 80er Jahre von der Friedens- und Anti-Atomkraft-Bewegung geprägt. Es gab große Demonstrationen in der damaligen Hauptstadt Bonn, an der sich auch viele Murrhardterinnen und Murrhardter mit organisierten Bus- und Zugfahrten dorthin beteiligten.
Der erste Murrhardter Bürgerentscheid am 1. Juni 1980, mit dem Erfolg der Ablehnung eines überdimensionierten Bürgerhauses, war Wasser auf die Mühlen der Murrhardter Demokraten /Alternative Liste, die mit Blick auf die 1979 anstehende Kommunalwahl offiziell gegründet worden war. Die ersten Überlegungen zur Gründung der MD/AL erfolgten bereits 1977.
Bei der Gemeinderatswahl am 22. Juni 1980 trat die MD/AL mit einer zunächst kleinen Gruppe an und eroberte auf Anhieb 3 Gemeinderatssitze. Die drei Neustadträte – Herbert Schilling als Senior, Titus Simon und Wolfgang Radlewitz als Junioren – ringen anfangs mit den anderen Fraktionen nicht um die größtmögliche Schnittmenge, sondern betrachteten sich als kritische Opposition.
Launig erzählte am Jubiläumsabend Martin Pfender, der ehemalige Technische Beigeordnete der Stadt Murrhardt, von einigen Konflikten, die bei aller Ernsthaftigkeit auch Heiteres produzierten. Als Pfender seitens der Stadtverwaltung beispielsweise die Beschlüsse für den Bau der Innenstadttangente vorbereitete, sei ihm von der MD/AL nahegelegt worden, die Straße müsse angesichts der Tatkraft des Planers „Martin-Pfender-Tangente“ heißen. Ein Ansinnen, das im Gemeinderat und bei der Stadtverwaltung natürlich keine Mehrheit fand. Die Theodor Heuss-Tangente wurde stattdessen geboren.
Nach zunächst stürmischem Beginn der MD/AL kam es zwischen 1982 und 1984 zu einer ersten fruchtbaren Zusammenarbeit mit der SPD. Erste politische Erfolge stellten sich ein: Erweiterung des Konzeptes für die neue Bücherei um einen Saal, Unterstützung des Jugendzentrums, Einrichtung von Tempo-30-Zonen in Wohngebieten, Bau von Gemeindehallen in Fornsbach und Kirchenkirnberg.
Erst allmählich entwickelten sich ein geschmeidiger Umgang mit den anderen Fraktionen und der Stadtverwaltung. So gab es auch Günter Richter, der damalige Fraktionsvorsitzende der CDU-FWV, wider. Gudrun Gruber, damalige SPD-Fraktionsvorsitzende, hebt die Zusammenarbeit zwischen der SPD und der MD/AL beim zweiten Bürgerentscheid, gegen den Bau des Bürgerzentrums auf dem Stadthallen-Sportplatz, hervor. Sie hätte gern die MD/AL-Leute in den eigenen Kandidatenreihen gesehen. Aber weder dies noch die eigene Einheit war der Murrhardter SPD vergönnt. Ganz im Gegenteil: Wie in der großen Politik spaltete sich die SPD auch in Murrhardt: Fünf Mitglieder ihrer Fraktion sonderten sich ab und bildeten eine Unabhängige Liste (UL).
Als einen besonders schwierigen Akt bezeichnete Simon unter diesen Umständen das Zustandekommen eines gemeinsamen interfraktionellen Antrags von MD/AL, SPD und UL, der letztendlich zum Erhalt des historischen Fachwerkhauses am Walterichsweg (heute Archiv der Stadt Murrhardt und Wohnhaus) führte.
Titus Simon war nach Herbert Schilling der zweite Fraktionsvorsitzende der MD/AL und gab den Stab 1997 an Wolfgang Samtner ab, als er eine Professur in Magdeburg annahm. Bernd Messinger rückte 1997 für Titus Simon in den Gemeinderat in die damals 5-köpfige Fraktion nach. Messinger wurde bereits kurz danach mit der Überraschung konfrontiert, dass alle damaligen FraktionskollegInnen bei der darauffolgenden Kommunalwahl im Jahr 1999 nicht mehr zur Wahl antraten. Die Existenz der MD/AL war dadurch stark gefährdet. Glücklicherweise scharten sich genügend engagierte MitstreiterInnen um Bernd Messinger, dem damaligen Ortsverbandssprecher der Grünen, und stellten eine komplette MD/AL-Liste für die Gemeinderatswahl auf. Messinger wurde anschließend Fraktionsvorsitzender der zusammen mit Sabine Dietrich und Sabine Burkhardt neu formierten Fraktion im Gemeinderat.
Die damalige neue MD/AL-Fraktion entwickelte, auch im Kontext gesellschaftlicher und politischer Veränderungen – die Grünen bildeten zusammen mit der SPD nach der lähmenden Kohl-Ära eine erstmals ökologisch-sozial ausgerichtete Bundesregierung – auch im Murrhardter Gemeinderat neue Umgangsformen. So schloss sich beispielsweise die MD/AL-Fraktion, nach zuvor jahrelang dem eigenen Klientel exklusiv vorbehaltenen Nachberatungen in ausgewählter Murrhardter Gastronomie, den obligatorischen Nachsitzungen des Gemeinderates mit den anderen Fraktionen und der Stadtverwaltung an und suchte vermehrt neben dem konfrontativen Diskurs auch den konstruktiven Dialog.
Jochen Häussermann-Schuler, Moderator des Jubiläumsabends, bat Bernd Messinger und Sabine Dietrich, Nachfolgerin im Fraktionsvorsitz ab 2005, über die Themen ihrer gemeinsamen Fraktionszeit zu berichten. Bernd Messinger war es ein großes Anliegen, dass bei den großen Haushaltsspardiskussionen in den Jahren ab 2002/2003 die mühsam erarbeiteten sozialen und kulturellen Errungenschaften für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt nicht dem finanziellen Kahlschlag zum Opfer fallen. Die Gefahr war groß, dass Einrichtungen wie das Freibad, die Musikschule, die Stadtbücherei, das Jugendzentrum oder die Volkshochschule geschlossen oder unwiederbringlich kaputtgespart werden. Die damalige MD/AL-Fraktion mit Sabine Burkhardt, Sabine Dietrich und Bernd Messinger haben sich unermüdlich, mit Tatkraft, Ideenreichtum und Feingefühl dafür eingesetzt, dass trotz unbestreitbarer Sparerfordernisse und angesichts desolater kommunaler Finanzsituation kreative Lösungen zum Erhalt aller genannten wichtigen Einrichtungen für die Bürgerinnen und Bürger möglich wurden.
Sabine Dietrich empfand die von der Gemeinderatsmehrheit beschlossene Verkleinerung des Gemeinderats von 22 auf 18 Sitze für die Gemeinderatswahl 2004 als direkten Angriff auf die MD/AL. Denn dadurch bestand die große Gefahr, dass einer der drei Gemeinderatssitze allein durch die Verkleinerung des Gremiums eingebüßt und dadurch der Fraktionsstatus verloren gehen würde. Stattdessen aber ging die MD/AL nach einem großartigen Wahlkampf aus der Kommunalwahl 2004 gestärkt hervor und erhielt im Juni 2004, trotz Verkleinerung des Gemeinderates, wiederum drei Sitze. Alle vier wegfallenden Sitze im Gremium büßten die anderen drei Fraktionen ein. Ein großer Erfolg. Den Fraktionsstatus zu halten war sehr wichtig für die Arbeit der MD/AL, denn die Spardiskussionen liefen noch.
Im Frühjahr 2004 wurde von vielen MurrhardterInnen für den Erhalt des Freibads demonstriert, der Freibadförderverein wurde gegründet. Die Volkshochschule und die Musikschule konnten erhalten werden. Die Sparmaßnahmen führten aber dazu, dass sich die Stadt vom Campingplatz am Waldsee trennen musste. Im Jahr 2005 schied dann Bernd Messinger auf eigenen Wunsch aus dem Gemeinderat aus beruflichen Gründen aus und konzentrierte sich fortan auf sein Mandat als Kreisrat für die Grünen im Oberen Murrtal, das er seit 2004 innehatte.
Nach dem beruflich bedingten Ausscheiden von Sabine Dietrich übernahm Ludwig Franke ab 2011, bis 2014, den Fraktionsvorsitz.
Der nächste Zeitabschnitt, den Jochen Häussermann-Schuler aufgriff, war die Ankunft der Flüchtlinge in Murrhardt. Dazu interviewte er Gerd Linke, den amtierenden Fraktionsvorsitzenden und Bürgermeister Armin Mößner . Die Bereitstellung von Unterkünften und die Integration von Flüchtlingen war ab 2015 eine sehr große Aufgabe, die ohne den Einsatz so vieler Murrhardterinnen und Murrhardter nicht gelungen wäre. Es gab sehr große Vorbehalte und Widerstände gegen die Nutzung eines leerstehenden Pflegeheims als Gemeinschaftsunterkunft. Große Befürchtungen wurden laut. Durch den Einsatz einer Vielzahl Ehrenamtlicher wie auch durch viele Gespräche und Zugeständnisse von Landrat Dr.Sigel, beispielsweise vorzugsweise Familien aufzunehmen und die Belegung zu reduzieren, konnte die Stimmung beruhigt werden. Bereits kurze Zeit nach dem Einzug und im Lauf der Zeit mit der Entwicklung von Kontakten und Begegnung der Einheimischen mit den geflüchteten Menschen hat sich das ganze Thema normalisiert. Die MD/AL hat hier einen sehr aktiven Part übernommen.
Zum Abschluss stellt sich die Frage, was sich die MD/AL für die kommende Zeit auf die Fahnen geschrieben hat. Eine wichtige Entscheidung im letzten Jahr war zunächst, dass sich die MD/AL dazu entschlossen hat, mit dem Ortsverband der Grünen künftig noch enger als bisher zusammenzuarbeiten. Dies geschieht für die am 26. Mai 2019 anstehende Kommunalwahl ganz konkret dadurch, dass man mit den Grünen mit einer gemeinsamen Wahlliste ins Rennen geht: Mit der Liste MDAL/Die Grünen, einer mit 18 KandidatInnen und Kandidaten breit aufgestellten Liste, wird man mit dem Motto „Murrhardt natürlich – natürlich Murrhardt“ um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler werben. Umwelt schützen – Aufwachsen – Mobilsein – Wohnen – Arbeiten und wirtschaften – Erleben – Genießen – Weltoffen zusammenleben: das sind unsere Themen für Murrhardt, macht Gerd Linke klar. Mit mehr Frauen und neben erfahrenen Kräften , auch mit vielen jungen KandidatInnen will man mit der Liste MDAL/Die Grünen am 26.Mai gestärkt in den Murrhardter Gemeinderat einziehen.
Genügend Stoff, um anschließend bei einem geselligen Ausklang in gemischten Gruppen nicht nur mit Stolz 40 Jahre zurück, sondern auch frohen Mutes und zuversichtlich in die Zukunft zu blicken.